Untersuchungshaft
Was Angehörige jetzt tun können
Wird jemand wegen des Verdachts einer Straftat festgenommen, wird er in der Regel zuerst in polizeilichen Gewahrsam genommen. Spätestens nach 24 Stunden muss er dem Haftrichter vorgeführt werden. Dieser entscheidet dann über den Erlass eines Haftbefehls.
Bei einer Verhaftung liegt bereits ein Haftbefehl gegen den Beschuldigten vor. In Haftsachen ist Verteidigung notwendig im Sinne der Strafprozessordnung. Ermittler müssen auf Strafverteidiger-Notdienste hinweisen und dem Beschuldigten die Kontaktaufnahme ermöglichen. Benennt der Betroffene keinen Anwalt als Verteidiger, weil er keinen kennt oder niemanden erreicht, muss ihm der Staat einen Anwalt als Pflichtverteidiger beiordnen. Die Auswahl des Pflichtverteidigers erfolgt meist durch den Richter, welcher später über den Haftbefehl entscheidet. Die Auswahl obliegt der richterlichen Entscheidungsfreiheit. Das Auswahlverfahren ist nicht angreifbar. Es kann also sein, dass Ihnen ein Anwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet wird, der sich wenig engagiert. Oder der nicht einmal auf Strafrecht spezialisiert ist. Das kann gefährlich werden. Nur ausnahmsweise kann der einmal als Pflichtverteidiger bestellte Anwalt später in einem komplizierten Verfahren ausgetauscht werden.
Es ist daher enorm wichtig, dass ein Betroffener sofort einen Anwalt erhält, der das Bestmöglichste für ihn tut und dem er vertrauen kann und der ihn auch in der Justizvollzugsanstalt („Knast“) besucht und ihm alle Informationen über den Ablauf des Verfahrens und die gegen ihn vorliegenden Beweise gibt.
Wenn ein Angehöriger, ein Freund oder ein Kollege verhaftet wird, ist das zunächst ein großer Schock. Jetzt können Sie als Außenstehender nur noch dadurch helfen, dass Sie für den Betroffenen einen erfahrenen Fachanwalt für Strafrecht als Verteidiger engagieren und so für die bestmögliche Verteidigung sorgen. Sie können als Angehöriger jederzeit einen Anwalt beauftragen, der bei der Staatsanwaltschaft eine Besuchserlaubnis beantragt („Besuchsauftrag“). Damit kann er den Beschuldigten in der JVA aufsuchen und ein Gespräch mit ihm führen. Der Beschuldigte kann sich einen persönlichen Eindruck von dem Anwalt verschaffen, den seine Angehörigen, Freunde oder ihm sonst nahestehenden Personen für ihn ausgewählt haben. Der Beschuldigte kann sich dann entscheiden, den Anwalt zu bevollmächtigen. Erst dann besteht ein Mandatsverhältnis über die Strafverteidigung des Mandanten. Man nennt dies dann Wahlverteidiger. Da ein Mandat entsprechendes Vertrauen zwischen Anwalt und Mandant voraussetzt, kann nur der Beschuldigte selbst Mandat erteilen. Auch wenn der Beschuldigte bereits einen Pflichtverteidiger hat, kann er daneben bis zu zwei weitere Anwälte als Wahlverteidiger engagieren.
Im Falle der Anordnung und Vollzug der Untersuchungshaft (U-Haft) wird der Strafverteidiger engen Kontakt zum Mandanten halten und ihn regelmäßig in der JVA besuchen Er wird ihm den gesamten Ablauf erklären und weiter sein Schweigerecht durchsetzen.
Viele falsche Geständnisse kommen nach einer Inhaftierung zustande. Er wird unverzüglich Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufnehmen und sich die Ermittlungsakten aushändigen lassen. Anhand dieser Akten kann der Verteidiger die Beweislage prüfen. Viele Haftbefehle, die erlassen werden, sind zudem fehlerhaft. Oft werden die Haftgründe (z.B. Fluchtgefahr Verdunklungsgefahr) völlig pauschal unterstellt oder es wird einfach aus der Straferwartung auf einen entsprechenden Fluchtanreiz geschlossen. Viele Beschwerdegerichte heben Haftbefehle wieder auf, weil sie unverhältnismäßig sind und mildere Mittel als der Vollzug der Untersuchungshaft ausreichen.